Das "Nie wieder" mit Leben füllen

Gedenkveranstaltung anlässlich des 87. Jahrestages der „Reichspogromnacht“ vom 9. November 1938

Oberbürgermeister Bert Knoblauch bei der Krankniederlegung am Mahnmal.

"Wir stehen heute hier – 87 Jahre nach der Reichspogromnacht – an einem Ort des Erinnerns. Und wir stehen hier gemeinsam: Ältere, Jüngere, Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Vertreterinnen und Vertreter unserer Stadt. Es ist gut, dass wir das tun. Denn Erinnern ist kein Automatismus. Erinnern braucht Menschen – Menschen, die sich die Zeit nehmen, die hinhören, die verstehen wollen", sagte Oberbürgermeister Bert Knoblauch während der Gedenkveranstaltung am Holocaust-Mahnmal, Nicolaistraße.

Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 war eine Nacht, in der in Deutschland Synagogen brannten, in der Nachbarn zu Tätern wurden und Menschen, die hier zu Hause waren, plötzlich erniedrigt, vertrieben oder ermordet wurden. Auch in Schönebeck wurde die Synagoge in der Republikstraße zerstört. Hier, mitten in unserer Stadt, begann das, was später unvorstellbare Ausmaße annehmen sollte: die systematische Vernichtung jüdischen Lebens. "Wenn wir heute daran erinnern, dann tun wir das nicht nur aus historischem Interesse. Wir tun es, weil diese Vergangenheit uns etwas sagt – uns, den Menschen von heute."

Viele junge Menschen fragen manchmal: Warum sollen wir uns mit etwas beschäftigen, das so lange her ist? Die Antwort ist: Weil wir aus dem, was damals geschah, lernen müssen, wie zerbrechlich Menschlichkeit sein kann – und wie wichtig es ist, sie zu schützen. Weil das, was damals begann, nicht mit einem Krieg anfing, sondern mit Worten. Mit Schweigen. Mit Wegsehen. "Und genau das dürfen wir heute nicht wieder zulassen."

Wir erleben, wie Hass und Hetze – oft getarnt als Meinung – wieder lauter werden. Wir sehen, wie antisemitische Parolen im Internet kursieren. Und wir sehen, wie manche versuchen, Geschichte umzuschreiben oder zu relativieren. Deshalb ist es so wichtig, dass die junge Generation sich für Erinnerungskultur interessiert, sich einbringt, sich positioniert. "Ihr seid die Stimme der Zukunft – und ihr entscheidet, in welcher Gesellschaft wir leben werden." Eine Gesellschaft, die sich auf Menschlichkeit gründet – oder eine, die sich von Angst und Hass leiten lässt.

Das Engagement, zum Beispiel bei den Projekten der Stolperstein-Initiative, bei Schulprojekten oder Gedenkaktionen, zeigt: "Ihr habt verstanden, dass Erinnerung lebendig bleiben muss, um Bedeutung zu haben." Dass Gedenken nicht rückwärtsgewandt ist, sondern vorausblickt – in eine Welt, die gerechter, offener und friedlicher sein soll. "Wir dürfen das Geschehene niemals vergessen. Und wir dürfen nicht müde werden, das „Nie wieder“ mit Leben zu füllen."

Denn „Nie wieder“ heißt: Nie wieder Hass wegen Religion oder Herkunft. Nie wieder Gleichgültigkeit gegenüber Unrecht. Nie wieder Schweigen, wenn Menschen bedroht oder ausgegrenzt werden.

"Hier, vor diesem Mahnmal, stehen wir gemeinsam – in stillem Gedenken, aber auch in Hoffnung. Hoffnung darauf, dass jede Generation ein bisschen mehr Menschlichkeit in die Welt trägt. Ich verneige mich vor den Opfern. Und ich spreche die Worte, die uns verbinden und mahnen: „Ich vergesse Dich nicht – siehe! In meine Hände habe ich Dich eingegraben.“