Schönebecker Stadtbibliothek feiert stolzes Jubiläum

Erster Bibliotheksneubau wurde vor 50 Jahren im Malzmühlenfeld eingeweiht / Ein Blick in Geschichte

die stadtb cherei am bahnbr ckental. foto stadtarchiv sch nebeck elbe

Von Britta Meldau, Dipl.-Bibliothekarin (FH) und Stadtarchivarin

Genau am 8. Oktober 1974 um 11 Uhr öffneten sich die Türen des nagelneuen Standorts der Stadt- und Kreisbibliothek „Erich Weinert“ in der Ladenzeile in der damaligen Wilhelm-Pieck-Straße. Die Leiterin Frau Anneliese Renelt konnte voller Freude die ersten Nutzer der neuen Einrichtung begrüßen. Es war der erste Bibliotheksneubau überhaupt im Bezirk Magdeburg! 8.000 neue Bücher, fast 900 Schallplatten, 85 verschiedene Zeitschriften standen in 109 Regalen bereit. Die Besucher konnten an großzügig eingerichteten Studien- und Leseplätzen verweilen. Ein Mikrofilmlesegerät stand bereit, um verfilmte Literatur zu nutzen. In dem großen, hellen Raum waren nun Kinder- und Jugendbibliothek sowie Erwachsenenabteilung miteinander vereint. Schöngeistige Literatur, Romane und Poesie waren hier ebenso zu finden wie Fachliteratur, die vom Hobby- bis zum Studienniveau möglichst viele Bedürfnisse abdeckte. Ein heller, freundlich eingerichteter Kulturraum bot genügend Platz für Buchlesungen, literarisch-musikalische Nachmittage, Klassenführungen, Fachtagungen. Die bisherige Altstadt-Bibliothek in der Böttcherstraße 2 blieb als Standort erhalten und wurde sogar um eine Kinderabteilung im Nachbarhaus erweitert. Geöffnet war die neue Bibliothek an den Tagen Montag und Dienstag sowie Donnerstag und Freitag immer bis 18 Uhr. Der Mittwoch war kulturellen Veranstaltungen und Bibliotheksführungen vorbehalten. Die „Volksstimme“ berichtete damals selbstverständlich über dieses Ereignis.

Wie hatte sich eigentlich der Büchereibetrieb in unserer Stadt bis zur Eröffnung dieser modernen „Lesezentrale“ im Malzmühlenfeld entwickelt? Die älteste Nachricht von einer Buchausleihe stammt aus dem Jahr 1844. Der Magdeburger Zschokke-Verein zur Verbreitung guter Volksbücher – benannt nach dem in Magdeburg geborenen Schriftsteller und Pädagogen Heinrich Zschokke - wurde im damaligen Groß Salze aktiv. Bürger der Stadt konnten sich Bücher ausleihen. Die Bildung einer Volksbibliothek wurde angeregt. Das lobenswerte Projekt schlief jedoch ein. Der Verein fragte zu guter Letzt beim Magistrat nach, wo denn 41 (!) entliehene Bücher geblieben wären, doch die ließen sich nicht wieder auftreiben.1858 wurden dann die letzten acht verbliebenen Bände an die dortige Schulbibliothek gegeben. Um 1900 bis in die 1920er Jahre gab es in „Salze“ wieder Anstrengungen zur Einrichtung einer Volksbibliothek. Unter anderem hielt der Evangelische Jünglingsverein Bücher vor. Auch durfte eine wiederum nicht näher bezeichnete Schulbibliothek (in der heutigen Schneiderschule?) nun von Salzer Einwohnern genutzt werden. Schließlich öffnete im Frühjahr 1942 am Bahnbrückental eine moderne Stadtbücherei im Rondell Friedrichstraße 1 ihre Pforten. Später war dort die beliebte „Fischbratküche“ untergebracht. Laut Adressbuch der Jahre 1947/48 war die Bücherei aber damals noch dort ansässig. Das Taschenadressbuch von 1955 verortete die nunmehrige Stadt- und Kreisbibliothek dann in der Böttcherstraße 2. Nebenstellen gab es im heutigen Salzlandmuseum, im Kulturhaus Felgeleben und in der Randauer Straße 18 in Elbenau. Die Lese- und Ausleihzeiten in der Hauptstelle Böttcherstraße waren sehr großzügig und beinhalteten sogar den Sonnabend! Neben der öffentlichen Bibliothek existierten private Leihbüchereien, so die von Walter Bromann in der Republikstraße 30. Hier musste man für die Ausleihe einen kleinen Obolus zahlen. - Die Freihandausleihe, die in der nagelneuen Bibliothek des Jahres 1974 so selbstverständlich war, wurde in der DDR übrigens erst ab etwa 1950 eingeführt. Zuvor musste man sich vom Personal seine Leihbücher verlangen oder bekam sie empfohlen. An die Regale durfte sich der Leser nicht selbst begeben. Die Theke stand damals stets zwischen ihm und dem Bibliothekar.

Stetig steigende Leserzahlen

Die Stadt- und Kreisbibliothek im Malzmühlenfeld versorgte außer den Zweigstellen im Stadtgebiet auch etwa 20 ehrenamtlich geführte Gemeindebibliotheken des Kreises mit Literatur. In größeren Betrieben bestanden Gewerkschaftsbibliotheken für die Werktätigen, auch Schulen hatten oft eigene Bibliotheken. Diese Einrichtungen sorgten selbst für Literaturbeschaffung, wurden aber wie die Gemeindebibliotheken ebenso fachlich durch die Stadt- und Kreisbibliothek angeleitet. Flächendeckende Versorgung mit Literatur war das propagierte Ziel. Staatlicherseits stand die Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten auf dem Plan. Stetig steigende Leser- und Entleihungszahlen bis 1989 zeigen, dass die Menschen auch von sich aus gern Bücher zur Hand nahmen. Oftmals konnte man in den Bibliotheken Bücher, Zeitschriften oder Schallplatten wenigstens entleihen, die man im Handel nicht mal unter dem Ladentisch bekam. Die Bibliothek sorgte also dafür, dass mehr Menschen in den – wenn auch zeitlich begrenzten - Genuss dieser Medien kamen.

Über 20 Bibliothekarinnen und Facharbeiterinnen (heute Fachangestellte) sorgten in Schönebeck für reibungslosen Ablauf des Lesebetriebes – von der Bestellung neuer Medien, der nötigen physischen Bearbeitung für die Ausleihe, Bestandspflege, Katalogisierung, Leserberatung, Konzeption und Durchführung kultureller Veranstaltungen bis zur nötigen Aussonderung von veralteter Fachliteratur oder verschlissenen Medien. Bibliothekslehrlinge wurden ausgebildet. In Sondershausen an der Berufsschule erfolgte der theoretische Unterricht. Ein Direkt- oder Fernstudium zum Bibliothekar war in Leipzig möglich.

Bestände werden übereignet

Ein großer Einschnitt kam für die Stadt- und Kreisbibliothek mit der politischen Wende 1989/90. Sie verlor die Kreisfunktion. Bestände in den Gemeinden wurden diesen übereignet und ein Bibliotheksverein für den damaligen Kreis Schönebeck gründete sich. Auch im Stadtgebiet wurden die Zweigstellen nach und nach geschlossen. Eine Folge war natürlich drastischer Personalabbau. Die langjährige Leiterin Anneliese Renelt ging 1991 in den Ruhestand. Ihr folgte Gerlinde Maier, die bis 2019 diese Funktion innehatte. Gegenwärtig ist Nadine Vietmeyer Leiterin des Bibliotheksteams.

Bestimmte Literatur galt nach 1989/90 als überholt. Das waren vor allem gesellschaftswissenschaftliche und staatsnahe Werke aus der DDR-Zeit. Andererseits gab es neue Literatur, die angeschafft werden musste. Eine große Unterstützung in der allerersten Zeit bildete die Spende von über 6.000 Büchern aus der neuen Partnerstadt Garbsen. Die Stadtbibliothek mit letztlich einem verbliebenen Standort war als Kultureinrichtung nun eine freiwillige und rein städtische Aufgabe. Eigene Finanzmittel, die von der Stadt bereitgestellt werden, erfahren Ergänzung durch Fördermittel und Sponsoring. Alles ist nun im Buch- und Fachhandel im Angebot – von der Vielzahl der Medien, dem bibliothekarischem Fachmaterial bis hin zu modernen Bibliotheksausstattungen inklusive Möbel. Voraussetzung ist wie so oft das nötige Kleingeld.

Digitalisierung erleichtert Recherche

Digitalisierung und neue Verfahrensweisen hielten Einzug. Moderne Materialien haben das zeitintensive händische Lackieren und Beschriften der Medien vor der Ausleihe unnötig gemacht. Die Verzeichnisse sind digital. Katalogkarten mit den Titelaufnahmen müssen nicht mehr wie zu DDR-Zeiten mühselig einzeln auf der mechanischen Schreibmaschine getippt oder mittels Ormig-Druckverfahren vervielfältigt werden. Dank Internet ist es möglich nach gewünschten Titeln bibliotheksübergreifend und überregional zu suchen. Seit 2015 gibt es in Schönebeck die Onleihe, die das Ausleihen digitaler Medien ermöglicht.

Mehrfach hat sich die Stadtbibliothek dem modernen Qualitätsmanagement gestellt, um den heutigen Lesegewohnheiten gerecht zu werden. In einem recht kurzen Zeitraum änderte sich die Bibliotheksarbeit in vielen Bereichen. Die Grundlagen blieben. Das beginnt bei der Wahl der anzuschaffenden Medien. Trends und Bedürfnisse müssen im Vorfeld erkannt werden. Der Bibliothekar ist nach wie vor Begleiter und Ratgeber des Lesers. Er fördert durch vielfältige Öffentlichkeitsarbeit – beginnend bei den Grundschulkindern – das Lesevermögen und die Freude an der Literatur. Die Stadtbibliothek hat in der Kulturlandschaft unserer Stadt seit langem einen festen Platz inne. Und das muss auch in den nächsten 50 Jahren so bleiben!