Waltraud und Georg: Seit 50 Jahren in einem Boot

Georgs Seite. Als ausgebildete Matrosin schipperte sie nun mit ihrem Käpt´n über Flüsse und Kanäle durch ganz Europa, sahen dadurch Länder wie Holland, Belgien, Frankreich oder die Tschechei. In Luxemburg schenkte ein Arbeiter den Kindern Buntstifte: „Die sind vom König!“ Die beiden Kinder haben auf den Schiffsplanken aber nicht nur das Malen, sondern auch das Laufen gelernt, und später freuten sich Oma und Opa dann irgendwann über jeweils drei Enkel. Als das Ehepaar 1980 endgültig von Bord ging, arbeitete der Mann weiter als Lehrobermeister und sie als Sachbearbeiterin an der Schifferschule, bevor sie gemeinsam ihren eigenen Hygienedienst in Schönebeck aufbauten, den inzwischen der Sohn übernommen hat. In besonderer Erinnerung bleiben den beiden zwei Lebensrettungen, als Georg zwei junge Frauen aus der Elbe und aus dem Mittellandkanal vor dem Ertrinken bewahrte. Eine dieser Rettungen hat der großartige Schönebecker Bildhauer Dario Malkowski in einer beeindruckenden Plastik festgehalten, die er Georg schenkte und die in seinem Büro in der Friedrichstraße zu sehen ist. Umgekehrt erlitt das Ehepaar selbst neben ernsten Krankheiten einen schweren Schicksalsschlag, als einer der Enkel tödlich verunglückte. Aber das Leben musste weitergehen, und so halten sich beide weiter aneinander wie an einem Schiffstau fest und blicken nach vorn. Dies gab ihnen die Kraft, auch den Sinn für das Schöne nicht verloren zu haben – denn Waltraud schreibt Gedichte und Georg malt hin und wieder Aquarelle oder zeichnet. Georg engagierte sich indessen ehrenamtlich im THW, war bei den großen Hochwassern voll im Einsatz, unternahm sogar Wasserfahrten mit Jugendlichen. Zurück zur Freizeitgestaltung: Zerstreuung fanden sie auch immer bei der Angora-Kaninchenzucht und im dortigen eigenen Garten in der Sparte „Otto Kresse“. Ein paar von der Mutter einst hingeworfene Pfirsichkerne wurden zu stattlichen Bäumen und tragen heute wunderbare Früchte. Der Vergänglichkeit des Lebens steht eben immer wieder auch etwas Neues entgegen, über das man sich freuen kann. A propos „freuen“. Die Jubiläumsreise zur Goldenen Hochzeit unternahmen die beiden womit? Natürlich mit einem Schiff, wie sollte es anders sein: Ein alter Kindheitstraum wurde mit einer Fahrt zur Nordseeinsel Helgoland erfüllt. Und anders als die Titanic legte dieses Schiff wieder wohlbehalten zurück am Kai in Cuxhaven an. Und der eigene Ehehafen ist dabei fest gemauert, wenn die beiden feststellen: „Zusammenhalt klappt, wenn man nicht nach jeder Unstimmigkeit auseinander rennt. Immer nur Harmonie gibt es nicht, dazu sind die Menschen zu verschieden.“ Gut zu wissen, wenn man in einem Boot sitzt, und in diesem Sinne: Immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel, Waltraud und Georg!