Stadtarchiv: Recherche zur Schönebecker Geschichte

Azubi_Stefan_Brauer_im_Stadtarchiv_Kopiefür jeden Menschen einsehbar. Man kann zum Beispiel als Privatperson im Archiv eine ausgeprägte Ahnenforschung betreiben. Auch eine Kopie von den Archivalien ist, wenn es der Zustand erlaubt, gegen eine Gebühr möglich. Das Archiv der Stadt ist also somit eine Dienstleistungseinrichtung für die eigene Verwaltung sowie für die Bürger und gleichzeitig ein Informations- und Dokumentationszentrum zur Historie der Elbestadt. Außerdem übt das Stadtarchiv eine Tätigkeit in Sachen Stadt- und Denkmalpflege aus. Das älteste Stück im Archiv ist eine Urkunde aus dem Jahre 1336. Sie bezieht sich auf das Salzwesen der Stadt Groß-Salze (heute Bad Salzelmen). Außerdem sind Rechnungsbücher Groß-Salzes bis in das Jahr 1407 und viele andere historische Schriftstücke vorhanden. Aufgrund des Vorhandenseins von Zeugnissen aus dem Dreißigjährigen Krieg, habe ich hier einen kleinen Artikel zu diesem Thema verfasst:

Akte_Gro_Salze_I_J_0116_003_KopieDer Dreißigjährige Krieg begann 1618 und endete 1648. Er wurde auf dem damaligen Gebiet des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ausgetragen. Die Brutalität und Härte dieses Krieges übertraf alle vorherigen Kriege um ein Vielfaches. Er ist wahrscheinlich nach den beiden Weltkriegen der grausamste Krieg der Menschheitsgeschichte. Während der Kriegszeit gab es viele sehr schlimme Seuchen, Krankheiten und Hungersnöte, die vor allem durch die Plünderungen der Dörfer und Städte ausgelöst wurden. Manche Landstriche wurden bis zu zwei Dritteln entvölkert. Der Dreißigjährige Krieg war vor allem ein Glaubenskrieg zwischen der Katholischen Liga und der Protestantischen Union, aber auch ein Krieg um die Vorherrschaft im Heiligen Römischen Reich. Der Krieg um die Vorherrschaft entbrannte zwischen dem Habsburger Kaiser und mehreren Landesfürsten im Innern und europäischen Feinden wie Frankreich, Schweden und Dänemark. Die beginnende Reformation 1517 und die Abspaltung der Protestantischen von der Katholischen Kirche sind die schwerwiegendsten Gründe für diesen Krieg. Er begann am 23. Mai 1618 mit dem Prager Fenstersturz. Davor lebten 18 Millionen Menschen auf dem Kriegsgebiet. Die Opferzahlen belaufen sich auf etwa sechs Millionen Menschen. Damit hat der Dreißigjährige Krieg mehr Kriegsopfer im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung gefordert als der Zweite Weltkrieg. Aufgrund der beiden Weltkriege gerät dieser grausame Krieg leicht in Vergessenheit. Darum ist es von großer Bedeutung das Wissen über die mit diesem Krieg einhergehenden schrecklichen Gräueltaten zu bewahren. Auch unsere Heimat wurde ein Opfer dieser schrecklichen Ereignisse. Besonders unsere heutige Landeshauptstadt Magdeburg traf es sehr schwer. Die Stadt erlebte am 10. Mai 1631 (nach dem alten Julianischen Kalender, nach dem sich die Protestanten damals noch richteten) einer ihrer schwärzesten Tage, der als die "Magdeburgische Hochzeit" in die Geschichte eingegangen ist. Bis auf den Dom und das Prämonstratenserkloster brannte die komplette Stadt nieder. Der damalige Magdeburger Ratsherr und Physiker Otto von Guericke traf es mit der folgenden Aussage auf den Punkt: "Das ist nichts als Morden, Brennen, Plündern, Peinigen, Prügeln gewesen. Insbesondere hat ein jeder von den Feinden nach vieler und großer Beute gefragt."

Aber auch mein Heimatdorf Biere blieb von der Grausamkeit des Krieges nicht verschont. Seit dem Jahre 1625 zogen verschiedene Truppen durch das Dorf, die von den Bewohnern vor allem Geld und Lebensmittel einforderten. Durch den großen Verlust der Lebensmittel und Ernten gab es schwere und lange Hungersnöte. Außerdem brach in Biere im Jahr 1636 die Pest aus. 100 Todesfälle sind aus dieser Zeit durch Kirchen- und Sterberegister bekannt. Es werden aber weit mehr Menschen während dieser Seuche ihr Leben gelassen haben. Im Jahre 1638 wurde Biere von Soldaten geplündert und ausgeraubt. Viele Bewohner erholten sich davon nicht und mussten 1641 nach Groß-Salze (heute Bad Salzelmen) fliehen. Zu allem Überfluss waren sie aber auch hier nicht von Abgaben für die Verpflegung der Reiter und Musketiere befreit, die sich in der Stadt aufhielten. Die Bierer Bauern mussten an Groß Salze diese sogenannten Kontributionen zahlen, auch für ihre Leute, die in die Stadt geflohen waren. Es wurden deshalb auch Exekutionen (Pfändungen) bei den Bierern durchgeführt.

Stadtarchiv_Schnebeck_Zeilen_aus_dem_Neujahrsgedicht_Pfarrer_Wapenhentsch_KopieDie trostlose Zeit allgemein und auch das Aussehen der Stadt Groß-Salze schilderte der Pfarrer Johannes Wapenhentsch aus Biere in seinem Neujahrsgedicht. Er richtete es am 4. Januar 1646 aus Calbe an den Rat in Groß-Salze. Er dankte darin für die Gastfreundschaft der Groß-Salzer Bevölkerung, die die Bierer Bewohner herzlich aufgenommen hatten. Das Gedicht gibt an manchen Stellen ein treffendes Bild jener Jahre. Es ist im Ganzen sehr weitschweifig, darum hier einige Auszüge:

  • …"Fürwahr, das sind gewiss die letzten bösen Zeiten,
  • so voller Trübsal sind und voller Bangigkeiten.
  • Es blutet unser Herz und ist voll Traurigkeit,
  • der Krieg, das Kriegsgeschrei ist unser Sterbekleid…

  • …Und seh! Die Augen sich vor Herzensangst ergießen,
  • das Herze Tränen schwitz[t], die aus den Augen fließen,
  • wenn ich dich, edles Salz, erbärmlich zugericht`
  • betrachte, mich alsbald erschrecket dein Gesicht!...

  • …Wen sollte dein Ruin nicht in das Trauern leiten
  • nebst andrer Kriegsnot, die uns von allen Seiten
  • zu Boden hat gerannt? Des Satans letzte Macht
  • hat uns in allzu groß, große Not gebracht."…

1647 kehrten einige Bewohner nach Biere zurück. Der Dreißigjährige Krieg endete am 24. Oktober 1648 mit der Unterzeichnung der beiden Friedensverträge in Münster und Osnabrück. Die Menschen erholten sich nur schwer und langsam vom schrecklichen Krieg. Es mussten viele Jahre vergehen, ehe zerstörte Dörfer und Städte wieder aufgebaut waren. Es gab Ortschaften, die so stark geschädigt waren, dass sie dauerhaft verlassen blieben. Niemand baute sie mehr auf und so wurden es Wüstungen. Das Territorium des Erzstifts Magdeburg, zu dem auch unsere Gegend gehörte, wurde nach dem Krieg in das weltliche Herzogtum Magdeburg umgewandelt. Es wurde 1680 dem Kurfürsten von Brandenburg unterstellt. Kurfürst Friedrich III. gründete 1701 Preußen und wurde zu König Friedrich I. Unser Gebiet gehörte nun zu Preußen.