125 Jahre Emil Schwantner: Ein verkannter Künstler

ebenso ein Mentor gewesen. Letztendlich hat er ihn auf den Weg gebracht, den der blinde Bildhauer bis heute gegangen ist. Und das kann kein falscher gewesen sein, wie Dario Malkowski, der als bescheidener Mann bekannt ist, sagt. ?Ich war der erste, der für die Kunst in der Region das Bundesverdienstkreuz erhalten hat, zum Ehrenbürger der Stadt Schönebeck ernannt wurde und den Rathauspreis erhalten hat?, sagt der 89-Jährige. ?Wenn der Schwantner wüsste, was ich geworden bin?, fasst er mit einer gewissen Wehmut in der Stimme zusammen. Emil Schwantner hat das alles nicht erleben können. Bereits 1956 ist er gestorben, damals als 66-jähriger Mann. Malkowski war da gerade einmal 30 Jahre alt und noch am Anfang seiner Karriere. Für Emil Schwantner wiederum war nach dem Zweiten Weltkrieg die Karriere vorüber. Vorhersehbar und nachvollziehbar ist das nicht. Denn Emil Schwantner war ein begnadeter Künstler. So schreibt der Trautenauer Schriftsteller Josef Mühlberger in seinem Gedenkblatt zu dem Buch ?Emil Schwantner - Der Bildhauer aus dem Riesengebirge? (1980 erschienen bei Egestorf/Nordheide): ?Emil Schwantner war kein Künstler, der von der Kunst und durch die Kunstwissenschaft zu seinem Schaffen gelangte, es war eine ursprüngliche Begabung, Anregung und Einflüsse verarbeitete er auf seine Art.? Auch Dario Malkowski kann das Schaffen von Emil Schwantner beschreiben. ?Er hat eindrucksvolle Plastiken gemacht?, sagt er.  ?Er konnte die Anatomie perfekt mit den Proportionen verbinden?, urteilt der Schönebecker. Und: ?Er war klassisch im Stil.? Geschaffen hat Schwantner eine Vielzahl von Werken - sie umfassen Büsten, Kriegerdenkmäler und Abbildungen von einfachen Arbeitern und Tieren. ?In Nordböhmen ist er bekannt. Er hat Werke in Prager Museen aus den 1930iger Jahren?, berichtet Jenny Schon, deren Opa der Cousin von Emil Schwantner gewesen ist. Sie hat Kunstgeschichte studiert und sich mit der Vergangenheit ihrer Familie befasst. Demnach weiß sie auch zu berichten, dass Emil Schwantner in Leipzig beim Skulpturenwerk für das Völkerschlachtdenkmal geholfen hat. Bis 1946 wohnte und arbeitete Emil Schwantner in Trautenau im heutigen Tschechien, wo sein Haus/Werkstatt heute noch steht und privat genutzt wird. So bekannt und erfolgreich der Künstler in seiner Heimat auch war, der Zweite Weltkrieg und die Vertreibung der Sudetendeutschen haben Schwantner das sprichwörtliche Genick gebrochen. Denn in Schönebeck, wo er sich schließlich 1947 nach seiner Vertreibung niederließ, konnte er nicht mehr richtig Fuß fassen. Woran das lag? ?Für Kunst war nach dem Krieg keine Zeit?, nennt Dario Malkowski einen möglichen Grund. Vielleicht habe sich der Künstler auch selbst im Weg gestanden, vermutet er weiter. ?Er war ein recht bescheidener und feinfühliger Mensch?, charakterisiert Malkowski seinen Freund. Auch zurückhaltend sei er gewesen. ?Aber was er gesagt hat, das war konkret?, sagt Malkowski. Schwantner sei ein einfacher Mensch gewesen, der sich aus sich selbst nicht allzu viel machte. Hat er sich also nicht gut genug verkauft? ?Eventuell?, sagt Malkowski. Britta Meldau vom Schönebecker Stadtarchiv hat noch eine weitere Vermutung. ?Dieses Volkstümliche  in seiner Kunst lag manch einem wohl zu nahe an den Nazis?, sagt sie. Was auch immer Grund war, fest steht: ?In Schönebeck war er wie entwurzelt. Hier konnte er nicht an seine Erfolge anknüpfen?, sagt Britta Meldau. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass es in der Elbestadt kein Andenken an den Künstler gibt. Einzig seine Grabstätte auf dem Westfriedhof an der Magdeburger Straße erinnert noch an den großen, jedoch in Schönebeck verkannten Bildhauer. Fast hätte es aber ein wahres Andenken gegeben. Denn als 1948 die Schaffung des Denkmales ?Opfer des Faschismus? im Gedenkpark an der Nicolaistraße als Wettbewerb ausgeschrieben wurde, war es kein Geringerer als Emil Schwantner, der diese Ausschreibung gewann. Das beweisen Unterlagen, die im Schönebecker Stadtarchiv vorliegen. Für die Schaffung haben damals 70?000 Reichsmark zur Verfügung gestanden, zitiert Britta Meldau aus ihren Unterlagen. Doch Emil Schwantner kommt nicht zum Zug. Warum? ?Das geht aus den Unterlagen nicht hervor?, sagt die Stadtarchiv-Mitarbeiterin. Stattdessen schafft der in Berlin geborene und in Halle gestorbene Bildhauer Richard Horn das Werk ?Der Weg in den Tod?. Dabei sei Schwantners Entwurf ebenso gut gewesen. Davon ist Dario Malkowski überzeugt. Schließlich hat er die Idee von Emil Schwantner damals gesehen - besser gesagt mit seinen Händen erfühlt. Die Vermutung liegt nahe, dass es heute noch Schönebecker gibt, die in ihren Wohnstuben die ein oder andere Figur, geschaffen von Emil Schwantner, stehen haben. Denn als der Bildhauer 1947 nach Schönebeck kam, soll er in einem Kunstgewerbegeschäft in Bad Salzelmen gearbeitet haben. Unter schlechten Arbeitsbedingungen habe der Bildhauer Figuren gefertigt. ?Was eigentlich 300 Mark gekostet hätte, hat der Laden für 60 Mark verkauft?, umschreibt Dario Malkowski die Relation. Mehr oder weniger ausgebeutet sei Emil Schwantner von seinem Arbeitgeber worden, sagt Malkowski, der nur durch Zufall seinen guten Freund Emil Schwantner kennenlernte. Denn Malkowski, der erblindet aus dem Zweiten Weltkrieg in die Elbestadt zurückgekehrt ist, fing gerade an mit der Schnitzerei. ?Ich habe mich mit dem Schnitzwerkzeug meines Großvaters ausprobiert?, erinnert er sich. Die so entstandenen Buchstützen und Brotteller konnte er verkaufen. ?Nicht gegen Geld, aber Mehl und ähnliches?, sagt er. Zur gleichen Zeit ist ein Freund von Dario Malkowskis Bruder bei Schwantner in  der Lehre. Dieser Freund berichtet Schwantner von dem jungen blinden Mann. Und eines Tages steht der in Prag studierte Bildhauer bei Malkowski, dem Autodidakten, vor der Tür. Malkowski hat schon einiges geschaffen, aber auch einige Widerstände erleben müssen. Er ist verzweifelt und will aufgeben. ?Als Schwantner bei mir war, zeigte ich ihm einen Herrgottswinkel, den ich für eine katholische Nachbarin geschaffen hatte?, berichtet der 89-Jährige.  Daraufhin soll Schwantner ihn ermutigt haben: ?Wenn du das kannst, dann kannst du noch viel mehr.? Und: ?Du kannst dir trotz deiner Blindheit einen Namen als Künstler machen.? Das war der Beginn einer tiefen Freundschaft zwischen den damals 20- und 56-Jährigen. Das mündete darin, dass Schwantner, obwohl er selbst keinen künstlerischen Erfolg mehr erleben durfte, den jungen Malkowski anleitete. Schwantner habe dafür keine Gegenleistung verlangt, ?Hauptsache du lernst?, soll er gesagt haben. ?Da ich bei ihm damals schon alles hinsichtlich der Anatomie gelernt hatte, konnte ich bei meinem späteren Studium die Anatomiestunden schwänzen?, sagt Malkowski mit einem Lächeln auf den Lippen. Emil Schwantner ist für ihn ein Mentor gewesen. Ein feiner Mensch, der in der Elbestadt seine zweite Ehefrau fand, die ihm in seinen letzten Jahren ein gutes Zuhause geschaffen habe und, wie die Schwantner-Verwandte Jenny Schon berichtet, 2002 gestorben ist - lange nach ihrem Ehemann. Emil Schwantner ist am 18. Dezember 1956 verstorben.?In seinem Sterbebett hat er nach mir gerufen?, berichtet Malkowski. Doch seine damals schon schwerhörige Frau habe das wohl nicht verstehen können. Deshalb sei Malkowski zu spät gekommen. Für den Bildhauer bewegend. ?Für mich ist das bedeutend, für andere vielleicht nicht?, sagt er dazu. Das zeigt: Die beiden Freunde hatten nicht nur die Bildhauerei gemeinsam, auch die Bescheidenheit. (Ein Beitrag von Kathleen Radunsky, mit frdl. Genehmigung der Volksstimme)