OB Haase sprach vor IBA-Städtenetzkonferenz

hat unser Thema ?1774? inzwischen überregional von sich reden gemacht und manches bewegt. Der IBA-Prozess ist fortgeschritten. Die Jahresbezeichnung 1774 geht auf eine Veränderung der Stadtstruktur durch die Preußen zurück, als so genannte schnurgerade Kolonistenstraßen die drei späteren Stadtteile Frohse, Salzelmen und Schönebeck miteinander verbinden sollten. König Friedrich II. ließ diese Straßenzüge einer barocken Geste folgend anlegen. Sie sollten dem Besucher eine große Stadt ?vorgaukeln?. Und um das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden, führte die Ansiedlung von Fremden, also den Kolonisten, in kurzer Zeit zur Entstehung dieser Straßenzüge. Jene Stadtfigur ist bis heute im Stadtgrundriss wie aber auch im Stadtgefüge erlebbar, so dass die historisch unterschiedlichen Prägungen der einzelnen Stadtkerne und die städtisch anmutenden Verbindungsstraßen ? eben die Kolonistenstraßen - als eine Besonderheit der Stadt gelten können. An dieser Uridee haben wir unser IBA-Thema gewissermaßen aufgehängt, um städtebauliche Ziele und Projekte zu befruchten und weiter voranzubringen. Mit einer damit verbundenen Stärkung der Stadtkerne erhoffen wir uns eine Neuordnung der Stadtlandschaft, die Revitalisierung von Industrie- und Grünbrachen und nicht zuletzt auch ein neues Flächenmanagement der nicht mehr zeitgemäßen Kleingartenstruktur und urbanen Landwirtschaft. Konkrete Schwerpunkte sind für uns dabei die mögliche Entwicklung eines alten Rübenverladeplatzes an der Elbe, die kultur- und sporttouristisch aufzuwertende Salineinsel nebst Brücke und nicht zuletzt Impulse für die städtebauliche ?Aufwertung? ? wenn man so will ? unserer Altstadt. Hier kann die IBA unsere aktuelle Umsetzung der städtebauliche Rahmenplanung zur Sanierung und Entwicklung der Altstadt sinnvoll begleiten und ergänzen. Wenn der IBA-Prozess als Ganzes gewissermaßen von ?oben? ? als Initiative aus Dessau und Magdeburg ? auf uns zukam, dann ist uns in Schönebeck, verehrte Anwesende, die Reflexion und Begleitung durch die Bürgerschaft mindestens ebenso wichtig. Mindestens. Denn wir haben von Beginn großen Wert darauf gelegt, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Als eines der jüngsten IBA-Kinder haben wir unsere Bevölkerung für das Thema sensibilisiert und zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen mit ihr durchgeführt. Wenn zum Beispiel alte Fotos herausgekramt wurden, um öffentlich die Chancen des Neuen zu diskutieren, dann spricht das für die von der IBA ausgelöste Lebendigkeit und das damit zusammenhängende integrative Moment. Das haben wir übrigens auch bei einem innerstädtischen IBA-Lauf erlebt, der eine große Resonanz bei Teilnehmern und Zuschauern erfuhr und besonders die jüngeren Einwohner auf die Stadtstruktur aufmerksam machte. Dem Anspruch der Internationalität der IBA genügte Schönbeck mit einer ebenfalls frischen Idee: Eine jugendliche Sommerschule mit 32 Studenten aus Polen, Ungarn, Italien und Deutschland kümmerte sich vor wenigen Wochen in einem professionellen Workshop unter Anleitung von Hochschuldozenten um unsere von Brachen durchzogene Kleingartenstruktur. Angesichts der bedenklichen demografischen Entwicklung und des daraus folgenden Leerstands entwickelten die jungen Leute neue, bemerkenswerte Ideen für diese Grünflächen, die ein großes Bürger- und Medienecho fanden und nach Eignung und Möglichkeit Eingang in unser Entwicklungskonzept für die Kleingärten finden sollen. Das Abschlusskolloquium im Inno-Life-Auditorium fand auch das große Interesse der Kleingärtner und ihrer Sparten selbst. Sie betrachten viele Ideen des Workshops als durchaus realisierbar. Es ging dabei besonders um die Einbindung der Anlagen in den umgebenden Grünraum, um ihre Vernetzung und Verbindung mit der Stadtstruktur, auch um ihre teilweise Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit beispielsweise. Diese Sommerschule war alles in allem ein guter Erfolg für uns! Schon bald wird eine Dokumentation über den Workshop vorliegen und eine entsprechende Ausstellung das Thema in unserem IBA-Laden präsentieren. Hier ist also noch Einiges möglich und zu erwarten. Dieses Pflänzchen muss gegossen werden. Dieser IBA-Laden als Ausstellungs-, Gesprächs- und Veranstaltungsraum hat ohnehin eine große Außenwirkung entwickelt ? viele Hundert Besucher sind hier schon ein- und ausgegangen und haben sich teilweise auch in das IBA-Thema eingebracht. Die Bürgerinnen und Bürger lernen ein neues Stadtimage kennen und beginnen im Lichtschein der IBA, sich mehr mit ihrer Stadt zu identifizieren. Der Mangel an einer solchen Identifikation war bisher immer ein Problem für uns, das räume ich unumwunden ein. Genauso kann in diesem Zusammenhang ein gesunder Heimatbegriff an Wert gewinnen. Egal, ob in den Kleingärten oder auf der Salinehalbinsel ? der Begriff der Bodenhaftung kann und muss wieder an Bedeutung gewinnen und das Heimatbewusstsein kann eben auch positive Kräfte freisetzen. Dieses ist immer vor dem Hintergrund zu betrachten, dass es unser großes Anliegen sein muss, die Menschen, besonders die jungen Leute bei uns zu Hause in der Stadt Schönebeck zu halten. Gern lernen wir von anderen und nun besonders vom IBA-Prozess, aber letztlich kommt es in erster Linie auf uns selbst an. Dazu braucht es eine Heimat mit Lebensqualität. Verantwortung für die große Erde muss Verantwortung für die kleine Erdkrume vor Ort mit einschließen. Ein Schwerpunktprojekt, ich erwähnte es schon, ist in genau diesem Zusammenhang die zu entwickelnde Salineinsel als historische Industriebrache auf einem mittlerweile weitgehend natürlichen Grünareal. Diese Halbinsel besitzt nach unserer Auffassung ein großes Entwicklungspotenzial, um einmal zur städtebaulichen und grünordnerischen Aufwertung des Stadtkerns Altstadt beitragen zu können. Es geht uns um einen qualitätvollen Umgang mit dieser Brachfläche. Entsprechend dem Fördermittelbescheid sollen die Planungen für die Salineinsel im nächsten Jahr begonnen werden, derzeit werden die Anregungen dafür im IBA-Laden und während der von dort ausgehenden IBA-Spaziergänge gesammelt und mit den Vorstellungen der Verwaltung gebündelt. Der Mut zum Experimentieren ist dabei ? und nicht nur bei diesem Thema - ausdrücklich gewünscht. Ziel ist es denn auch, die Planung so transparent wie möglich durchzuführen, für Bürger und Investoren gleichermaßen. Nicht zuletzt geht es uns eben genau darum, den IBA-Prozess zu nutzen, neben der öffentlichen Hand privates Engagement zu mobilisieren. Wir wollen, dass Bürger, Investoren, Bauherren, Planer und Verwalter Hand in Hand arbeiten, um aus dem angesichts der Demografie und anderer Faktoren zu beobachtenden Schrumpfungsprozess das Beste abzugewinnen. Nur so können Ressourcen aufgedeckt und erschlossen werden. Mit dem Wenigen, was wir angesichts der offenkundigen Schrumpfung der Städte an Potenzialen noch vorfinden, müssen wir nachhaltig umgehen. Mit dieser Bemerkung möchte ich meinen kleinen Vortrag auch schließen: Der Begriff Nachhaltigkeit, meine verehrten Damen und Herren, wird im 21. Jahrhundert in modernen und zukunftsbewussten Gesellschaften, die an ihre Kinder und Kindeskinder denken, immer wichtiger in seinem Kontext zum alten Begriff des bedingungslosen Wachstums werden. Möge auch die IBA in ihrem Gesamtergebnis einmal diesem Anspruch der Nachhaltigkeit genügen.