Eine "vergessene Kostbarkeit" des Schönebecker Stadtarchivs konnte restauriert werden

Schimmel, Schädlinge, säurehaltige Materialien, verblassende Farben und Schriften oder Tintenfraß machen den einstigen Datenträgen sehr zu schaffen. Die darauf enthaltenen Informationen und somit das nationale Gedächtnis können unter solchen Umständen verloren gehen. Um dem entgegen zu wirken, stellt die Koordinierungsstelle ein jährliches Budget zur Verfügung. Es werden Fördermittel für Erhaltungsarbeiten an Schriften zur Verfügung gestellt. Unter anderem können sich Archive um den Erhalt von Fördermitteln bewerben - den Einsatz einer gewissen Eigenbeteiligung vorausgesetzt. Jährlich werden die Maßnahmen unter ein eigenes Motto gestellt.

Im vergangenen Jahr erfolgte der Aufruf unter dem Titel "Vergessene Kostbarkeiten". Auch das Stadtarchiv Schönebeck beteiligte sich daran. Eine Kostbarkeit, die sogenannten "Magdeburger Schöppensprüche", konnten mit dem Einsatz von Fördermitteln der Koordinierungsstelle in nicht unerheblicher Höhe restauriert werden. Schöppen (oder auch Schöffen) waren übrigens damals Personen, die mit Rechtssprechung, aber auch mit Aufgaben der Verwaltung betraut waren.

Die Sprüche der Magdeburger Schöppen für ihre Amtskollegen in Groß Salze - dem heutigen Bad Salzelmen - sind ein wichtiges Zeugnis der Rechtsgeschichte des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Es sind 52 Urkunden aus dem Jahr 1350 bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Groß Salzer Schöppen baten in bestimmten Rechtsstreitigkeiten den Magdeburger Schöppenstuhl um Unterstützung. Dieser antwortete dann, so dass sich mit der Zeit allmählich ein Schriftverkehr entwickelte. Es waren heute noch immer verhandelte Streitinhalte wie Eigentumsdelike, Beleidigung, Schulden, Zufügung von Schaden, Meineid - eben ein breites Repertoire der Rechtsprechung. In Groß Salze wurde das Magdeburger Recht angewandt, auch der "Sachsenspiegel" von Eicke von Repgow hatte großen Einfluss. Wer kennt nicht das geflügelte Wort "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!" - Der Bauer, der zuerst an der Mühle eintraf, war auch berechtigt, als erster sein Getreide mahlen zu lassen.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden diese Sprüche- auch zum Beispiel aus Zerbst und Naumburg - in einem Buch für das interessierte Publikum veröffentlicht. Schon damals befanden sich die hiesigen Schöffensprüche fest eingeheftet in einer starken Mappe. Das verwendete Material entsprach nicht mehr den heutigen Anforderungen. Es war säurehaltig. Die Urkunden waren zum Teil unsachgemäß ausgebessert worden. Durch die Heftung war es unmöglich, die einzelnen Schriftstücke ordentlich abzufotografieren. Die Sprüche gehören aber zu dem wichtigen Bestand der Rechtspflege, der in Kürze im Rahmen der Bundessicherheitsverfilmung abfotografiert und so für kommende Generationen gesichert werden soll. Fördermittel für die fachgemäße Restaurierung wurden beantragt und bewilligt. Im vergangenen Jahr konnte dann eine sächsische Werkstatt die erforderlichen Arbeiten durchführen. Die Urkunden wurden aus der Mappe entnommen, gesäubert und entsäuert. Die Verklebungen wurden entfernt, das fehlende Material wurde sozusagen nachgegossen. Nun liegt jede Urkunde einzeln in einer Umhüllung aus archivspezifischem Material. Die Sprüche warten nun gemeinsam mit den Akten zu den Hexenprozessen sowie den Gerichts- und Handelsbüchern auf ihre Reise nach Potsdam zur Verfilmung. Dank der Fördermittel der Koordinierungsstelle war es hier vor Ort möglich, ein wichtiges Zeugnis unserer örtlichen Vergangenheit vor dem schleichenden Zerfall und dem Vergessen zu retten. Diese Praxis will das Team des Stadtarchivs nach Möglichkeit weiter verfolgen - im Interesse unserer einmaligen Bestände und für die Bewahrung der geschichtlichen Überlieferung.

Meldau
Stadtarchiv Schönebeck (Elbe)