Rathauspreis 2014 für Karl-Friedrich Gehse

eine unweite Autobahn, die Europa von West nach Ost verband. Sie hatte Betriebe der Chemie, des Metallbaus sowie des Handwerks und um sie herum fruchtbaren Bördeboden. Schließlich war diese Stadt in eine Umgebung eingebettet, welche den Menschen mit Elbwiesen, Auenwäldern, Badeseen und Ausflugslokalen zur Erholung gereichte. Über Jahrhunderte wuchs dieser Ort vom kleinen Marktflecken an einem schönen Bach zu einer Stadt mit vielen tausend Einwohnern, die sowohl vom 1. Weltkrieg als auch vom 2. Weltkrieg verschont blieb ? wenn man vom großen Unglück der Zerstörung der Elbbrücke einmal absieht. Doch ein halbes Jahrhundert später in der sogenannten ?Vorwende- und Wendezeit? geschah das, was es nie zuvor in der Stadtgeschichte gab. Häuser verfielen, Prachtstraßen wurden zu ?Straßen des Grauens?, die versandeten Häfen stellten ihren Betrieb ein und die inzwischen großen Betriebe mussten schließen, weil sie unwirtschaftlich wurden oder keine Konkurrenz sein durften. Haus um Haus der historisch gewachsenen Altstadt wurde abgerissen, um an gleicher Stelle Plattenbauten zu errichten. Manchmal geschah dies ohne jegliche Idee der Neugestaltung, oder eben aus Unvermögen, sie zu sanieren. Doch dann keimte neue Hoffnung auf mit einem Ereignis, das kaum jemand für möglich gehalten hätte: Deutschland begann sich wieder zu vereinigen. Eine kleine Gruppe heimatverbundener Idealisten begann sich zu engagieren und so brach sich etwas Bahn, was es so noch nie in der Geschichte dieser Stadt gegeben hatte. Eine echte Aufbruchsstimmung. Diese Stimmung, meine Damen und Herren, wurde durch einen Menschen aufgenommen, ganz besonders genutzt und beeinflusst, den wir heute mit dem Rathauspreis unserer Stadt ehren wollen: Es handelt sich um Karl-Friedrich Gehse. Wie wir alle wissen, begann alles am 11. November 1989. Vor nunmehr fast 25  Jahren öffnete sich die Grenze und unter den Tausenden, die damals in Richtung Westen fuhren, war auch ich. Unser Ausflug führte uns nach Braunschweig. An jenem Tage wurde ich dort von einem jungen Mann angesprochen, welcher sich anbot, uns die Löwenstadt zu zeigen. Ich wusste in diesem Augenblick noch nicht, welche späteren Auswirkungen das auf die Entwicklung meiner Heimatstadt haben sollte. Es war Nicolaus Merkel, ein Architekt, der umgekehrt das Angebot annahm, kurze Zeit später nach Schönebeck zu kommen. Hier zeigte er sich zwar entsetzt über das Stadtbild der Altstadt, war jedoch sogleich voller Tatendrang, sich für einen Wiederaufbau im Osten einzusetzen. Herr Merkel kannte einen Mitarbeiter eines Wasserwirtschaftsamtes im Ruhrgebiet, der seinerseits wiederum Interesse hatte, den Wasserwirtschaftler aus dem Osten kennen zu lernen. Mit einem an die Hand genommenen Baustatiker kamen sie schnell nach Schönebeck und sahen sich hier um. Später gesellte sich noch ein Städteplaner hinzu, welcher den ersten Flächennutzungsplan erarbeitete. Und so kam es, dass sich dieser illustren Gruppe eine weitere Person zu der Gruppe hinzufügte - der Geschäftsführer der RI Wohnungsbau GmbH Schwerte. Wenn Sie wollen, können Sie das Ganze also eine positive Connection nennen. Fruchtbare Gespräche mit der Stadtverwaltung und überschäumende Ideen aus den Reihen dieser Gruppe führten in der damaligen Aufbruchsstimmung zur Bildung einer Lenkungsgruppe für Schönebeck. An dieser Stelle wurde alsdann ein gewisser Herr aus Bochum eingeschaltet, den man bereits kannte. Sie können sich denken, um wen es sich handelte. Karl-Friedrich Gehse war ein im Ruhrgebiet sehr bekannter Architekt und Künstler, dessen Bauten durchaus Kultcharakter hatten. Sich ein ? Gehsehaus? zu leisten, war etwas ganz Besonderes, wie eine Lottomillionärin sich einmal im Fernsehen äußerte. Karl-Friedrich Gehse war nicht zuletzt damit beschäftigt, sein Wissen und seine Erfahrung an die jüngere Generation weiterzugeben. Als Gastdozent für Städteplanung an der Universität Wuppertal hatte er sofort die Idee, einige seiner Studenten mit nach Schönebeck zu bringen und Ideen zu Papier bringen zu lassen, wie sich die Stadt entwickeln könnte. Im Frühjahr 1991 mündeten die gelungenen Ergebnisse dann in einer viel beachteten, öffentlichen Ausstellung. Inzwischen wurde seitens der RI Wohnungsbau Schwerte der Gedanke geboren, eine Stadtentwicklungsgesellschaft für Schönebeck zu gründen, an welcher die Stadt Schönebeck und die RI  beteiligt sein sollten. Diese Stadtentwicklungsgesellschaft Schönebeck unter Leitung des eingesetzten Geschäftsführers Olaf Hempel war es dann, die das bewirkte, was die Stadt Schönebeck nicht nur über Jahrzehnte, sondern bis ins nächste Jahrhundert prägen sollte. Stand man in dieser Zeit auf der Elbbrücke, sah man viele Baukräne, welche in der Stadt auf den einzelnen Baustellen im Einsatz waren: Dieses gewisse Brummen markierte eine Zeit der Bewegung, des Wachsens und der Veränderung. Es war wie Musik in den Ohren von Menschen, die nach vorn schauten. Dies war die große Zeit des Architekten Karl-Friedrich Gehse. Mit dem Geburtsjahrgang 1939 in der Blüte der Schaffenskraft stehend, schäumte ?KFG? geradezu über von Ideen zur Stadtgestaltung im Großen als auch im Kleinen. Auflockerung der Wohnbereiche, Ideen für den Kurstandort Salzelmen, sich deutlich abhebende Architektur, Individualität und keine Bauten von der Stange - das war Säulen seines Tuns.  Ein Schlüsselereignis war eine Klausursitzung des Bauausschusses über zwei Tage am Pretziener Wehr. Dort stellte Herr Gehse einen städtebaulichen Entwurf zur Gestaltung der zu dieser Zeit bereits  zum größten Teil abgerissenen Altstadt vor. Dieser Entwurf sah auch den Abriss und die Neubebauung des Bereiches des ehemaligen Salzmagazins in der Baderstraße vor. Ein Gebäude, von dessen Schönheit man trotz unterlassener Unterhaltung über Jahrzehnte begeistert sein konnte. Der Bochumer kannte dieses Objekt zunächst nur vom Lageplan und war dann begeistert von der Bausubstanz bei der sich unmittelbar anschließenden Besichtigung des Schuppens. Sofort hatte er Assoziationen zu holländischer Architektur und schon wenige Tage später präsentierte er das von seinen Studenten gebaute Modell eines möglichen Umbaus dieses Salzmagazins zu einer Wohnanlage. Und seine Idee wurde wahr, wie wir heute wissen. So wie viele Ideen, von denen die nachfolgenden Bilder die wichtigsten Bauten der Stadt zeigen, deren Entwürfe seinem Schöpfergeist entsprangen.Alles, was einer individuellen Idee entspringt und schöpferisch gestaltet ist, steht in dieser Welt im kritischen Diskurs. Wer am Wege baut, hat viele Meister, sagt ein altes deutsches Sprichwort. Das Wagnis künstlerischer Urkraft ist streitbar. Aber wenn sich dieser Mut durchsetzt und wie im Falle Schönebecks Teilen der Stadt wieder ein Gesicht gibt, dann darf der ?Erbauer?, der Quell dieser wichtigen Phase unserer Stadtentwicklung, unseren Dank und unseren Respekt erwarten. Mit gutem Recht kann man sagen, dass es in der Geschichte unserer Stadt keinen Menschen gab, der das Stadtbild mit seinen eigenen schöpferischen Ideen derart veränderte, dass es über viele, viele Jahre davon geprägt sein wird. Leider wurde diese positive Entwicklung später jäh gestoppt und wir können heute leider nur so, wie ich meinen Vortrag begann, sagen: Es war einmal. Doch das, was Karl-Friedrich Gehse unserer Stadt bescherte, wird für viele Generationen noch sehr lange sichtbar sein. Wir gratulieren Ihnen heute zu Ihrer großartigen Leistung für die Stadt Schönebeck (Elbe) und wir sind Ihnen heute überaus dankbar. In dieser Dankbarkeit erhalten Sie nun den Rathauspreis für das Jahr 2014??