Zwanzig Jahre Stadtarchiv Schönebeck (Elbe)
gegangen war seitens der Stadt Schönebeck (Elbe) eine Suche nach geeigneten Räumen für das Archiv, das sich seit den 1950er Jahren im Verwaltungsgebäude des damaligen Pflegeheims "Burghof" befand. Die bis in die Zeit des Spätmittelalters zurückgehenden, historisch wertvollen Unterlagen lagerten dort nicht fachgerecht. Sie wurden in alten Holzregalen in den vier Meter hohen Räumen aufbewahrt. Zudem waren die Platzkapazitäten erschöpft. Ein fachgerechter Umbau wäre dort nur unter großen finanziellen Anstrengungen möglich gewesen. Dazu kam, dass die Stadt Schönebeck (Elbe) in den Räumen lediglich Mieter war. - Im Verlauf des Jahres 1995 erfolgten schließlich die Umbauarbeiten in der Prager Straße und während des kalten Januars 1996 zogen mehrere tausend Archivkartons, Büromaterial und die Möbel in das neue Domizil um. Es machte Freude, die modernen Büroräume einzurichten und die Archivalien in die modernen Regale zu sortieren - ohne sich gleich einen Holzsplitter einzuziehen. Und da war genug Platz, Karten vor Archivbenutzern auszubreiten, an schadhaften Unterlagen "Erste Hilfe" zu leisten oder Ausstellungen zu gestalten.
Auch die Bedingungen für persönliche Einsichtnahmen durch Besucher und die Möglichkeiten der Recherche verbesserten sich sehr. Ein halbes Jahr nach der Eröffnung freuten sich die Archivare über einen neuen Computer inklusive Drucker. Die sogenannten Findmittel, die Verzeichnisse der Akten und Sammlungsgegenstände, konnten nun in Datenbanken übertragen werden. Der Bildbestand des Archivs, etliche tausend Ansichten umfassend, wurde digitalisiert und erfasst. Ausstellungen wurden mit Hilfe der neuen Technik gestaltet - so zum Beispiel zum 775. Jubiläum der Ersterwähnung Schönebecks, des 10. Jahrestages der Städtepartnerschaft mit Garbsen, des 100. Geburtstags des Schönebecker Marktbrunnens im Rahmen des bundesweiten Tag des offenen Denkmals. Diesen Denkmaltag gestalten die Archivmitarbeiter ebenso wie die alle zwei Jahre stattfindenden "Tage des offenen Archivs", zu dem der Verband der Archivare aufruft. Die Jubiläumsbände zum Stadtgeburtstag 1997 oder zum 200. Jahrestag des Solebades entstanden im Stadtarchiv. Bildbände wurden gestaltet, Projekte wie das "Magdeburger Biographische Lexikon" unterstützte das Team des Archivs. Und immer gab es die verschiedensten Anfragen - persönlich, schriftlich oder telefonisch. Viele Begegnungen mit dankbaren Archivnutzern gab es in den Jahren, an die gern zurückgedacht wird. Viele neue Archivalien und Sammlungen kamen ins Archiv, zum Teil als Geschenk von geschichtsinteressierten Bürgern.
Herausforderungen gab es immer. Seit Ende 2004 wird das interne Verwaltungsarchiv durch das Team des Stadtarchivs betreut. Die organisatorische Zusammenführung beider Archive hat sich als großer Vorteil erwiesen. Unterlagen aus der Stadtverwaltung, die so wichtig sind, dass sie für immer aufbewahrt werden, finden regelmäßig ihren Weg vom Verwaltungsarchiv im Breiteweg in das sogenannte Endarchiv in der Prager Straße. Die wichtigste und anspruchsvollste Tätigkeit des Archivars, die Bewertung des Schriftgutes in zwei Kategorien - weiterhin aufzubewahren oder künftig verzichtbar - kann nun viel fachgerechter erfolgen. Was einmal weggetan wurde, ist weg und steht für spätere Fragestellungen nicht mehr zur Verfügung. Ein Archivar muss wissen, wie spätere Fragen lauten könnten. Einmal muss er für seine Verwaltung die rechtlich wichtigen Unterlagen aufbewahren, er muss aber auch historische Forschungsfelder der Zukunft bedienen.
Seit einigen Jahren bieten die Standesämter auf gesetzlicher Grundlage den kommunalen Archiven die Personenstandseinträge an, deren Datenschutzfrist abgelaufen ist. Das ist ebenfalls ein Zuwachs an Aufgaben für die Archive, aber auch eine sehr gute Quelle für die eigene historische Forschung. Neue Pflichten und Möglichkeiten ergeben sich zudem durch den Umgang mit digitalen Daten. Auch darauf müssen sich die Archive einstellen. Vieles wird es bald nicht mehr in Papierform geben, sondern als digitale Datei auf den Festplatten der Computer und Server. Hard- und Software müssen gepflegt werden. Die Anforderungen an die Rechtssicherheit der digitalen Akten entsprechen denen, die an die papiernen Unterlagen gestellt werden. Vor allem die größeren staatlichen und kommunalen Archive haben vor einiger Zeit begonnen, ihre Bestandprofile, ihre Verzeichnisse bis hin zu Digitalisaten einzelner Akten ins Internet stellen. Wertvolle Originale werden so geschont und manchmal muss ein Besucher gar nicht das Archiv besuchen, wenn er eine bestimmte Akte einsehen will. Er macht das am heimischen Computer. Auch die kleineren Archive müssen sich auf Dauer dieser Entwicklung stellen und sich der digitalen Welt öffnen. Das neue Archivgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, das im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, berücksichtigt auch die technischen Entwicklungen. Archive müssen weiterhin Hort der Geschichte bleiben - auch im digitalen Zeitalter.
Daran sieht man: Die Archivare leben nicht nur in der Vergangenheit, sondern müssen ebenso Gegenwart und Zukunft im Blick behalten. Das wusste schon der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe. Der meinte nämlich einmal: "Eine Chronik schreibt nur derjenige, dem die Gegenwart wichtig ist." - Wer hätte diese Entwicklung 1993 voraussehen können, als damals zunächst eine hauptamtliche Stelle für das Schönebecker Stadtarchiv im "Burghof" geschaffen wurde und sich dort nicht einmal eine mechanische Schreibmaschine finden ließ und die Aktenverzeichnisse zum großen Teil aus fliegenden Blätter mit Sütterlin-Schrift bestanden!
Ein herzlicher Dank geht auf jeden Fall an alle, die das Stadtarchiv seitdem durch positive politische Entscheidungen, durch fleißige Arbeit in der Einrichtung selbst sowie durch Leihgaben, Schenkungen und Weitergabe an Wissen nach Kräften unterstützt haben. Mögen die nächsten Jahre ähnlich herausfordernd, abwechslungsreich und erfolgreich sein!
Britta Meldau
Stadtarchiv Schönebeck (Elbe)