"Schade, dass ich schon so alt bin"

Gisela Schröder, Dezernentin I der Stadt Schönebeck (Elbe), geht zum 30. April 2021 in den Ruhestand

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Ein letztes Mal schließt Gisela Schröder die Tür des Rathauses. Nun richtet sie den Blick auf neue Aufgaben.

Der Hosenanzug: schwarz-weiß. Die Schuhe: schlicht und mit Absatz. Die Akten: sortiert und ausgearbeitet. So sah man Gisela Schröder mehr als 30 Jahre durchs Rathaus der Stadt Schönebeck (Elbe) wirbeln – aber stets gut vorbereitet. Sie strahlt eine gewisse Härte und Unnahbarkeit aus, eine starke Präsenz. Trotz ihrer 1,56 Meter – oder gerade deshalb. Die Dezernentin I aus der Ruhe zu bringen oder zu verunsichern? Das ist schier unmöglich. Mit Konsequenz, Strebsamkeit und klaren Strukturen formte die Diplom-Wirtschaftsingenieurin nicht nur das Rechnungsprüfungsamt, sondern zeigte auch in Krisensituationen, wie beim Hochwasser 2013, ihre wahre Größe. Am 30. April 2021 geht sie in den Ruhestand und übergibt den Staffelstab an Uwe Scholz.

Gisela Schröder überlässt nichts dem Zufall, selbst an ihrer Verabschiedungsfeier im Dr.-Tolberg-Saal plante sie mit. An jeden will gedacht sein, jeder soll sich wohl fühlen, sie möchte mit sämtlichen Wegbereitern und -begleitern an diesem für sie so besonderen Tag noch einmal ein paar Worte wechseln. Es ist bezeichnend, dass von den vielen Menschen, die sie im Laufe ihrer Tätigkeit kennengelernt hat, niemand besonders hervorgehoben werden kann und soll. „Ich habe sehr viele Menschen in diesen Jahren kennengelernt. Ganz viele von ihnen haben mich geprägt, vor allem aber enorm unterstützt. Dafür bin ich unendlich dankbar.“

Im Laufe der Jahre, das sagt sich so schnell dahin. Inzwischen erinnert sich Gisela Schröder aber an „eine lange Zeit, eine tolle Zeit, die ich nicht missen möchte“. Damals, am 1. August 1990, stand die damals 36-Jährige vor einer der wichtigsten Entscheidungen in ihrem Leben. Sollte sie aus dem kleinen und in sich geschlossenen Sachgebiet beim Traktorenwerk mit 18 Mitarbeitern heraustreten und den Weg in die Öffentlichkeit, ins Rathaus der Stadt wählen? „Ich scheue mich eigentlich vor keiner Herausforderung“, sagt die 65-Jährige. Aber damals, das war nicht nur der Sprung ins kalte Wasser. Bevor man aber ins kühle Nass eintauchen konnte, musste noch eine Eisschicht durchbrochen werden. Denn die Aufgabe in dieser unsicheren Zeit nach der politischen Wende beinhaltete, die Leitung für das Rechnungsprüfungsamt (RPA) in der Stadtverwaltung zu übernehmen. Ein Amt, das es bisher nicht gab, das also aufgebaut werden musste, für das die konkreten Aufgaben sowie die Struktur noch zusammengestellt werden mussten.

Wie geht man so eine verantwortungsvolle Aufgabe an? Das Gute zuerst: „Ich konnte das Amt selbst aufbauen, meine eigenen Ideen einfließen lassen und die Struktur bestimmen. Das hat mir großen Spaß bereitet.“ Doch der Rest war eine Reise ins Ungewisse. Einen wesentlichen Wegweiser gab es durch die Partnerstadt Garbsen. Drei Wochen lang schaute sie sich die Abläufe dort an, erhielt Tipps und jede Menge Unterstützung, auch nach ihrer Rückkehr nach Schönebeck. Neben dem Kontakt in Richtung Niedersachsen halfen unter anderem der Landesrechnungshof, die Fachbereiche des Kreises sowie die Kommunalaufsicht. „Ich hatte mit so vielen netten und hilfsbereiten Menschen zu tun. In dieser Zeit sind Freundschaften entstanden.“

Zeit für eine neue Herausforderung

Mit der nötigen Strenge, einem stets kritischen Blick, aber mit der gewissen Sensibilität agierte Gisela Schröder in den folgenden Jahren als Amtsleiterin RPA. „Ich war überall gefordert, musste mich in jedes Thema einarbeiten und über alles Bescheid wissen.“ Fielen ihr Unregelmäßigkeiten auf, „dann habe ich darauf hingewiesen. Aber nicht für Fehler verurteilt, sondern versucht, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.“ Im Laufe der Jahre wuchs ihr das RPA immer mehr ans Herz, gleichzeitig wuchs auch der Drang, etwas Neues zu wagen, einen weiteren Sprung zu riskieren. „Es war Zeit für eine neue Herausforderung.“ Mit der Nachfolge für Dieter Krüger als Dezernent I war diese neue Aufgabe gefunden, „der ich mich gern gestellt habe“.

Als erste Vertreterin des Oberbürgermeisters im Verhinderungsfall kamen neue Termine, mehr Mitarbeiter und Repräsentationsaufgaben hinzu. „Das war ein weites Feld, aber es hat mir wieder großen Spaß bereitet, mich darauf einzustellen.“ Besonders prägend war die Situation rund um das Hochwasser 2013. „Da war ich stark in der Verantwortung, gemeinsam mit den Dezernenten, und hatte viele schlaflose Nächte.“ Bei allem Stress konnte sie der Zeit viel Positives abgewinnen und erhielt andere Blickwinkel, lernte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung noch viel besser und unter besonderen Bedingungen kennen. „Auf sie konnte ich mich zu 100 Prozent verlassen. Es war super, wie sie alle mitgezogen haben.“ Das galt ebenso für die Unterstützung von Feuerwehr, Wasserwehr, DLRG, Bundeswehr und THW. „Auch vom Salzlandkreis und vom Innenministerium gab es viel Hilfe.“ Mit der Wahl von Bert Knoblauch zum Oberbürgermeister im Februar 2014, „der sofort in die Vollen startete“, wurde sie wieder entlastet.

Wenngleich dieses Erlebnis bereits acht Jahre in der Vergangenheit liegt, eine Kleinigkeit ist aus dieser Zeit geblieben: Noch immer liegen auf dem Tisch neben ihrem Bett Zettel und Stift. „Mich hat so Vieles beschäftigt, ich grübelte abends immer weiter, kam nicht zur Ruhe. Nachdem ich meine Gedanken dann aber aufgeschrieben hatte, wurde ich entspannter, konnte halbwegs abschalten und auch einschlafen.“ Nicht nur deshalb war es eine prägende Zeit, in der sich Gisela Schröder in die neuen Aufgaben einarbeitete. „Ich habe gelernt, mich den Gegebenheiten anzupassen. Als Vertreterin des Oberbürgermeisters war ich in allen Dingen immer integriert. Das ist eine ganz tolle Aufgabe, die zwar viel Verantwortung bedeutet, die aber enorm viel Spaß mit sich bringt“, sagt sie mit einem Lächeln – und fügt nach ein paar Sekunden an: „Schade, dass ich schon so alt bin.“

Es gibt noch viel zu sehen

Gibt es nun ein lachendes und ein weinendes Auge? Nein. Das Positive überwiegt ganz klar, denn es gibt noch so viel mehr zu tun, zu entdecken, zu erleben. Es wartet noch so Vieles – in der weiten Welt und direkt vor der Haustür. Es gibt noch so viele schöne Städte und Sehenswürdigkeiten zu sehen, wenn Gisela Schröder ihrer großen Reiseleidenschaft wieder nachgehen kann. Dubai und Abu Dhabi zum Beispiel konnten bereits von der Reiseliste gestrichen werden. „Die USA und New York, dazu das Weiße Haus, das alles zu sehen ist nach wie vor mein Traum“. Die Planungen dafür lässt sich Gisela Schröder ausnahmsweise mal aus der Hand nehmen, diese übernimmt ihre Tochter, die „den gleichen Faible dafür hat wie ich“. Aber sie wäre nicht Gisela Schröder, wenn sie nicht ihre persönlichen Vorbereitungen darauf beginnen würde. „Englisch braucht man nicht nur dort, sondern immer wieder. Ich möchte mich aufs Englischlernen konzentrieren und Kurse belegen. Das ist ein Herzenswunsch von mir.“

Im Leben von Gisela Schröder wird es sie also immer geben, diese neuen Herausforderungen, die Umstellungen erfordern. Anstatt Sitzungen, Personalgespräche oder Terminstress geht es zukünftig um den Schnitt von Rosenbüschen, die Pflege von Hortensien und das Bepflanzen von Beeten. Wildes Chaos im Garten? Nicht bei Gisela Schröder. „Ich liebe meinen Garten. Die Blumen stehen natürlich ordentlich in einer Reihe“, lacht sie – schon zum zweiten Mal.

So ganz kehrt sie dem kommunalen Bereich jedoch nicht den Rücken. Die ehrenamtlichen Aufgaben im Gemeinderat Bördeland sowie im Ortschaftsrat Biere „waren aufgrund von Terminüberschneidungen bisher nur schwer vereinbar. Dort möchte ich jetzt mehr Präsenz zeigen und mich nach wie vor einbringen.“ Zudem wird Gisela Schröder in ihrem Freundeskreis sehnsüchtig erwartet. Ausflüge mit dem Fahrrad, „Mädelsabende“ im Garten oder Sport im Verein – auch in ihrem Ruhestand wird Gisela Schröder ihrem Tagesablauf die notwendige Struktur verpassen. Wie könnte es auch anders sein.


Zitate zur Verabschiedung von Gisela Schröder

Bert Knoblauch, Oberbürgermeister der Stadt Schönebeck (Elbe): „Ich bin eher jemand, der improvisiert. Sie hat stattdessen immer einen Plan B in der Tasche. So haben wir uns gut ergänzt. Sie hat immer ihr Ziel verfolgt, teilweise bis zur Selbstaufgabe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ab heute nicht mehr da ist. Das ist ein komisches Gefühl, der Sicherheitsfaktor wird fehlen. Auch wenn jeder ersetzbar ist, kann ich es mir bei ihr nur schwer vorstellen.“

Cornelia Ribbentrop, Stadtratsvorsitzende: „Sie war das Gesicht der Verwaltung und aus der Reihe ‚derer bei der Stadt‘ nicht wegzudenken. Sie war scheinbar immer da, präsentierte sich in der Zusammenarbeit als Partnerin auf Augenhöhe und behandelte jeden fair. Ich bedaure ihren Weggang, freue mich aber für sie.“

Uwe Scholz, Nachfolger als Dezernent I: „In den vergangenen Wochen haben wir versucht, in die Geheimnisse der Stadtverwaltung einzutauchen. Ich werde versuchen, die Erwartungen zu erfüllen. Sie stößt eine Tür in einen neuen Lebensabschnitt auf. Ich wünsche ihr viel Gesundheit und bedanke mich für die gute Zusammenarbeit, speziell in den vergangenen vier Wochen.“

Dieter Krüger, Vorgänger von Gisela Schröder als Dezernent I: „Sie hat das Rechnungsprüfungsamt super geführt. Ich habe sehr gerne mit ihr zusammengearbeitet. Sie hat die notwendige Strenge an den Tag gelegt. Es war eine sehr gute Entscheidung, dass sie die Nachfolge als Dezernentin I angetreten hat.“

Hans-Jürgen Haase, ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt Schönebeck: „Sie war unerbittlich in ihrer Meinungsbildung und nur schwer zu überzeugen. Für sie gab es anfangs nur schwarz oder weiß. Allerdings war sie äußerst zuverlässig, immer geradeheraus und hat mich sehr unterstützt. Wenn der Landesrechnungshof kam, hat sie sich wie eine Eins vor uns gestellt. Als sie meine Stellvertreterin wurde, hat sie sich weiterentwickelt und gelernt, bunt zu denken. Man konnte sich zu 100 Prozent auf sie verlassen.“