Pretziener Wehr soll Weltkulturerbe werden

Initiative von Kulturstaatssekretär Dr. Gunnar Schellenberger, Landrat Markus Bauer und Oberbürgermeister Bert Knoblauch

Künstlerisch, technisch und städtebaulich - das Pretziener Wehr bei Schönebeck ist ein Bauwerk, das in vielen Belangen seinesgleichen sucht. Denkmalschützer wissen längst um das Alleinstellungsmerkmal der 1871 gebauten Anlage, die noch immer mehrere Regionen – insbesondere Schönebeck und Magdeburg - zuverlässig vor Hochwasser schützt.

Die herausragende Bedeutung einer breiten Öffentlichkeit näher bringen wollen jetzt Kulturstaatssekretär Dr. Gunnar Schellenberger, Landrat Markus Bauer und Schönebecks Oberbürgermeister Bert Knoblauch. Dafür wollen alle drei gemeinsam die Voraussetzung schaffen, um das Pretziener Wehr in die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO aufnehmen lassen zu können. Dazu gehört neben einer aufwändigen Antragsstellung vor allem, die Bürgerinnen und Bürger belegbar für das Vorhaben zu begeistern. In einem ersten Schritt soll der Kreistag deshalb bereits in der nächsten Sitzung formal einen entsprechenden Beschluss fassen.

Schönebecks Oberbürgermeister Bert Knoblauch sagt: „Die Idee, mit dem Pretziener Wehr ein UNESCO-Weltkulturerbe vor der Tür zu haben, ist charmant. Unsere Region würde große Aufmerksamkeit erlangen. Mit einem weiter ausgebauten Radwegenetz entlang der Elbe – beispielsweise von der Straße der Romanik über das Pretziener Wehr – würde die Entwicklung unserer Region weiter vorangehen.“ Er dankt Dr. Gunnar Schellenberger ausdrücklich für die Federführung bei diesem Vorhaben.

Landrat Markus Bauer betont, er stehe hinter der Initiative: „Erhält das Pretziener Wehr mit der Aufnahme in das Weltkulturerbe die Bedeutung, die es verdient, kann der Salzlandkreis als Wirtschafts- und damit auch als Wohnstandort profitieren.“ Der Landrat ist überzeugt: Die Anziehungskraft insbesondere für Touristen sei mit einem solchen Status ungleich größer. Das zeigen unter anderem Besucherzahlen der Luthergedenkstätten, des Bauhauses in Dessau oder der Weltkultur-Erbestadt Quedlinburg.  

Dr. Gunnar Schellenberger sagt: „Ich bin vom universellen Wert des Pretziener Wehrs überzeugt.“ Grund: Der 162,8 Meter lange und 7,5 Meter breite sandsteinverblendete Wehrsockel diente in den Jahrzehnten vielen weiteren Anlagen in anderen Ländern als Vorbild. Zudem sei das Baudenkmal bereits 1889 im Rahmen der Weltausstellung in Paris mit einer Goldmedaille ausgezeichnet worden. Zudem sieht er gute Chancen für das Vorhaben: „Ich glaube, dass die Erfolgsaussichten für technische Denkmale besser stehen als etwa für Kirchen des Mittelalters oder Stadtanlagen der frühen Neuzeit.“ Er erklärt weiterhin, die gemeinsam mit Schönebecks Oberbürgermeister Bert Knoblauch entstandene Idee passe zum Konzept der Kulturmetropole Schönebeck und sei auch als Anerkennung der Lebensleistung derer zu verstehen, die sich für den Erhalt der Industriekultur engagieren.

Sowohl Landrat Markus Bauer als auch Staatssekretär Dr. Gunnar Schellenberger wissen, dass es zwar ein weiter Weg ist bis zum Ziel. Sie verweisen jedoch auf die Entwicklung des Ringheiligtum Pömmelte und die daraus resultierenden positiven Effekte für die Region. „Wir zählen heute mehrere Zehntausend Besucher im Jahr. Das ist nur möglich, weil wir an unsere Ideen glauben und sie auch verwirklichen.“  Tatsächlich wird der Rekonstruktion der Jahrtausende alten Kultstätte mittlerweile enormer Bedeutung beigemessen. Experten bezeichnen die Anlage deshalb als deutsches Stonehenge.

Das Verfahren zur Beantragung des UNESCO-Weltkulturerbe-Titels ist mehrstufig. Zunächst muss ein umfangreiches Dossier zum Pretziener Wehr erstellt werden, das einem Fachgremium der Kultusministerkonferenz bis Ende Oktober dieses Jahres vorgelegt werden muss. Die notwendige Arbeit soll nach Auskunft des Kulturstaatssekretärs das zuständige Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie übernehmen.

Danach fällt die Entscheidung, ob tatsächlich ein Antrag zur Aufnahme des Pretziener Wehrs in die Weltkulturerbe-Liste bei der UNESCO gestellt werden kann. Dafür wiederum sind noch ausführlichere Darlegungen notwendig, die den universellen Wert des Pretziener Wehrs begründen. Belegt sein muss, wie eingangs erwähnt, dass die Region das Vorhaben unterstützt.

Auszug aus dem Denkmalregister

Ausweisungsart: Baudenkmal

Ausweisungsmerkmal: kulturell-künstlerisch, technisch-wirtschaftlich, städtebaulich

Denkmalbegründung: für Europa einzigartige Wehranlage, deren Konstruktion auf der Weltausstellung 1889 in Paris eine Goldmedaille erhielt; diente sowohl der Wasserspiegelerhöhung bei Niedrigwasser zur Gewährleistung des Schiffsverkehrs als auch zur Kappung von Hochwasserspitzen der Elbe; landschaftsprägendes Bauwerk; das heutige Dienstgebäude um 1960 errichtet

Baubeschreibung Wehr: der sandsteinverblendete Wehrsockel ist 162,8 m lang und 7,5m breit, Sockelhöhe: 3,5 m; Konstruktion besteht aus 8 ca. 4,7 m hohen Sandsteinpfeilern, über diese Pfeiler führt in einer Gesamtlänge von 112,5 m ein eiserner Bedienungssteg, zu jedem der 9 Joche gehören 8 freistehende Schienen als Losständer, diese können 36 Schützentafeln aus Buckelblech aufnehmen (insgesamt 324 Schützentafeln im Format 1,31 x 0,84m); die Wehröffnung erfolgt durch Winden.

Baubeschreibung Dienstgebäude: Das Bauwerk ist tragender Bestandteil des Denkmals Wehr. Es wurde - nach derzeitigem Kenntnisstand - um 1960 errichtet und besitzt bemerkenswerte architektonische Qualität. Elemente des Neoklassizismus und der modernen Pavillonbauweise wurden dabei vereint. Das Ergebnis ist ein außergewöhnliches Zeugnis für die Bauweise der späten 1950er Jahre in der DDR, als sich nach dem Ende der verordneten Bauweise der so genannten nationalen Tradition Einflüsse der internationalen Moderne auch in der DDR Geltung verschaffen konnten. Sie fanden vorzugsweise beim Bau von Verkaufs- und Ausstellungspavillons (Leipziger Messe, "Chemiepavillon" Wittenberg u. a.) und von technischen Anlagen Anwendung, wo Modernität und Fortschritt demonstriert werden sollten. Derartige Zeugnisse sind - auch auf Grund ihrer meist nur leichten Bauweise – in Sachsen-Anhalt heute sehr selten erhalten. Das Dienstgebäude des Pretziener Wehrs besitzt daher überregionale Bedeutung (Stelln. Dr. Titze 6.8.2010).“